Bonn. Der Intensivmediziner Uwe Jassens hat der Politik vorgeworfen, durch ihr spätes Handeln in der Corona-Politik die Ärzte möglicherweise in die Situation zu bringen, am Ende über Leben und Tod entscheiden zu müssen.
Davon sei man Gott sei Dank noch entfernt, jedoch sei deshalb der Appell an die Politik so stark, endlich zu handeln, sagte Janssens im phoenix-Interview. „Die Tatenlosigkeit der Politik der letzten Wochen und Monate hat uns in diese Situation geführt. Das heißt, wir stehen jetzt als erste da und müssen Entscheidungen treffen, die eigentlich nicht nötig gewesen wären, wenn man anders gehandelt hätte“, sagte der frühere Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI).
Janssens schloss des weiteren harte Maßnahmen wie einen Lockdown nicht aus, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. „Wir haben in den letzten 18 Monaten gelernt, dass harte Maßnahmen, Lockdown-Maßnahmen, mit und ohne Impfungen, tatsächlich ihren Effekt zeigen.“ Das sei in Portugal, Spanien, Irland und vielen anderen Ländern bewiesen worden. Jedes Menschenleben, das gerettet werden könne, sei es doch wert, Maßnahmen zu ergreifen, sagte Janssens.
Der Intenisvmediziner warb zugleich für eine deutlich höhere Wertschätzung und Bezahlung der Pflegekräfte. „Das sind Diamanten, die da arbeiten, und zwar in jedem Bereich.“ Auch sein Berufsstand habe sich früher mitunter schwer getan, das zu erkennen, das sei ein „Riesenfehler“ gewesen. Am Ende müsse „auch mal die Bezahlung, die Vergütung, die berufliche Perspektive dieser Menschen“ gewürdigt werden. Das sei eine gesamtgesellschaftliche Entscheidung. Wenn die Menschen keine höheren Krankenkassenbeiträge wollten, nur damit die Pflegekräfte besser verdienen, „dann werden sie erleben, dass es keinen mehr gibt, der sie pflegt“, so Jansssens. Das sei auch ein Versäumnis der Politik, die Gesellschaft mitzunehmen und deutlich zu machen, wie wichtig Pflege sei. „Pflege ist Daseinsvorsoge wie Polizei und Feuerwehr“.
PM/phoenix